
Eine umfangreiche Ausstellung an drei Standorten erkundet die „Phantastischen Orte“ im Werk von Wolfgang Lenz. Unter dem Titel „Pittura Capricciosa“ zeigt das Martin von Wagner Museum seine Gemälde und Zeichnungen mit Italienbezug.

Bild 1 | Andenken an die Villa Massimo (Selbstporträt mit Statuen)
Unzählige Künstler strömten seit dem 18. Jahrhundert über die Alpen, getrieben von der Sehnsucht, durch die Begegnung mit dem Süden ihre Kunst freier entfalten zu können. Einer der prominentesten ‚Deutschrömer‘ war Martin von Wagner, der von 1804 bis zu seinem Tod 1858 in der Ewigen Stadt lebte und arbeitete.
Wagner war Würzburger – wie Wolfgang Lenz, dem jetzt zum 100. Geburtstag eine umfangreiche Schau gewidmet wird, die im Museum im Kulturspeicher (MiK), im Martin von Wagner Museum der Universität Würzburg (MvWM) und in der Würzburger Residenz gezeigt wird. Zum ersten Mal arbeiten Stadt, Universität und Bayerische Schlösserverwaltung (BSV) zusammen, um einen Maler zu präsentieren, der wie wenige andere zum kulturellen Substrat der Stadt Würzburg gehört.
Der Titel „Phantastische Orte“ trägt zwei wesentlichen Merkmalen in Lenz‘ künstlerischer Produktion Rechnung: Zum einen wird es zum ‚Phantastischen Realismus‘ gerechnet, zum anderen spielen bestimmte Orte für seine bald kapriziösen, bald rätselhaften Bildvisionen eine übergeordnete Rolle. Nur elf Jahre nach der Gedenkausstellung 2014 sollte es keine neuerliche Lenz-Retrospektive klassischen Zuschnitts geben. Stattdessen legt die aktuelle Schau mit der Ortsbezogenheit seiner Werke ein zentrales Charakteristikum seiner Kunst offen.
Das städtische Museum widmet sich Lenz‘ Blick auf Würzburg und Unterfranken, aber auch auf Frankreich, Holland, Spanien, die Türkei und Ostasien als Destinationen seiner künstlerischen Neugier. In der Residenz werden seine Verdienste um die Rekonstruktion des 1945 zerstörten Spiegelkabinetts gewürdigt. Lenz‘ künstlerische Einfühlung und technische Versiertheit haben dort einen wahrhaft ‚phantastischen Ort‘ entstehen lassen.

Bild 2 | Römische Wasser – Bild 3 | Arco della Pace
Unter den vielen Weltgegenden, die Lenz bereiste, kommt Italien die größte Prägekraft für sein künstlerisches Œuvre zu – nicht nur hinsichtlich der Motive, sondern auch für seine spezifische Weltwahrnehmung und deren Ausdrucksformen. 1955/56 war er Stipendiat der Villa Massimo, 1992 Ehrengast dieser Deutschen Akademie in Rom. Seine in Italien entstandenen oder von den italienischen Seherfahrungen angeregten Werke – über siebzig sind bei uns zu sehen – fassen sein Schaffen wie eine große Klammer zusammen.
Insofern ist es vielleicht nicht falsch, in Lenz einen der letzten ‚Deutschrömer‘ zu sehen. Aber nicht nur die italienische Hauptstadt, auch Neapel und vor allem Venedig besuchte Lenz immer wieder. Einer Darstellung Italiens als ‚kanonischer‘ Hort der Künste ging er dabei aus dem Weg. Es zog ihn an künstlerisch unerforschte Orte, um sich individuellen und unverbrauchten Objekten zuzuwenden.

Bild 4 |Piazza S. Ignazio – Bild 5 | Orestes und Elektra
Seine unerwarteten Zugänge zur visuellen Kultur Italiens, jenseits von Topos und Klischee, gaben der Ausstellungsstation im MvWM den Namen: „Pittura capricciosa“ spielt sowohl auf die italienische „Pittura metafisica“ des frühen 20. Jahrhunderts an, die den Grundstein für die Wirklichkeitsverfremdung der Moderne legte, als auch auf die Kunstübung des Capriccio, die in Tiepolo ihren unerreichten Meister fand – Lenz‘ Lieblingsepoche war das Rokoko.
In seinen Zeichnungen und Temperagemälden präparierte er das Schwingende der barocken Bauten heraus, während er antike Statuen häufig mit einer gewissen Eckigkeit ausstattete. Auch von mittelalterlichen Mosaiken, Altarbildern der Renaissance und der zeitgenössischen italienischen Malerei ließ Lenz sich zu jener gliederpuppenhaften Anmutung anregen, die das Bildpersonal seiner späteren Gemälde bestimmt. Seine Skizzenbücher, von denen zwanzig ausgestellt werden, illustrieren diesen künstlerischen Zugriff, der das Gesehene schon beim Aufzeichnen der formenden Phantasie unterwirft.
Neben Kunstwerken zeichnete Lenz unablässig das alltägliche Treiben auf der Bühne der italienischen Städte. „Die Menschen nahm er wie Schauspieler der Commedia dell’Arte wahr, wie Masken und Typen, die er schließlich für die Bewohner seiner Bildwelten nutzte“, sagt Dombrowski. Der Professor für Kunstgeschichte ist überzeugt: „Für Lenz zählte die szenische Wirkung, nicht die Handlung an sich. Seine persönliche Signatur ist die Betonung des Unpersönlichen.“

6 | Salute im Verfall – 7 | Wintereinbruch
Die meisten Gemäldekompositionen mit italienischen Motiven entstanden im Würzburger Atelier. Dort wurden die zeichnerisch festgehaltenen Erinnerungen von seiner Vorstellungskraft umgeschmolzen zu traumwandlerischen Bildsequenzen. Verfall und Untergang sind darin ebenso zur Stelle wie Parodie und Komödie – immer im Dienst an der Idee, dem Gefühl der Zeit eine Gestalt zu geben.
PITTURA CAPRICCIOSA | Wolfgang Lenz und Italien
Laufzeit: 15.03.–15.06.2025
Ort: Martin von Wagner Museum, Kleine Galerie (Residenz, Südflügel, 2. Stock)
Die Sonderausstellung ist zeitgleich mit der Gemäldegalerie geöffnet:
dienstags bis samstags 13.30–17 Uhr
sonntags 10–13.30 Uhr im Wechsel mit der Antikensammlung (siehe Kalender)
Eintritt: 3 €
Die Katalogbroschüre (Verlag J. H. Röll, 74 Seiten mit 190 farbigen Abbildungen) erscheint im Verlag J. H. Röll und ist in der Ausstellung zum Preis von 8 € erhältlich.
Eröffnung am Freitag, 14.03.2025 um 19 Uhr im Museum im Kulturspeicher).
Kuratorenführungen durch Professor Dr. Damian Dombrowski an vier Freitagen um 18 Uhr (28.03., 25.04., 16.05., 13.06.). Dauer: 1 Stunde, Kosten: 10 € (einschließlich Eintritt).